FRAUENGESUNDHEITINTERVIEW

Es ist nie zu spät, mit Rückbildung zu beginnen

Im Interview: Dr. Floimayr-Dichtl, Trainerin und Gründerin von mamaFIT

• Liebe Frau Dr. Floimayr-Dichtl, können Sie sich bitte kurz vorstellen?
Mein Name ist Iris Floimayr-Dichtl, ich bin 42 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder, ich bin Sportlerin, Sportwissenschafterin und Frauenmentorin. Ich bin schon seit über 20 Jahren unternehmerisch tätig. Mein jüngstes „Businessbaby“ ist mamaFIT, ein Outdoortraining für Schwangere und Jungmamas, das sich zum Ziel gesetzt hat, Mamas fit, gesund und glücklich zu machen.
Ich habe mit mamaFIT das größte österreichische Konzept für den Outdoorbereich aufgebaut und habe mittlerweile knapp 50 Trainerinnen in ganz Österreich, die mit diesem Konzept in Lizenzart verbunden sind und so einen wesentlichen Teil für die Frauengesundheit leisten.

• Seit wie vielen Jahren machen Sie bereits Kurse (Rückbildung, …) und wie sind Sie dazu gekommen?
Rückbildung bzw. Gruppenkurse biete ich schon seit über 20 Jahren an, mit dem Inhalt der Rückbildung und der frauenspezifischen Arbeit bin ich seit 2013 am Start. Das hat natürlich mit meiner eigenen Geschichte zu tun. Ich habe eine Tochter und einen Sohn, als dieser 5 Monate alt war, hab ich mit mamaFIT gestartet. Ich war damals auf der Suche nach einem kompetenten Trainingsangebot draußen an der frischen Luft. Das gab es nicht, so wie ich es mir als Jungmama gewünscht hatte. Dann habe ich einfach Freundinnen und Kindergartenmamas zusammengetrommelt und ihnen angeboten, dass ich am Donaukanal an einem bestimmten Tag eine Stunde trainiere. So hat die Erfolgsgeschichte von mamaFIT eigentlich begonnen.

• Können Sie bitte kurz erklären, weshalb Training vor und nach der Geburt so wichtig ist?
Training vor und nach der Geburt ist deshalb so wichtig, weil wir hier einen wesentlichen Beitrag leisten können, dass einerseits die Schwangerschaft sehr komplikations- und problemlos verlaufen kann, und die Frau diese wichtige Zeit in ihrem Leben als sehr schön in Erinnerung behält, aber auch die Strapazen bei und unmittelbar nach der Geburt gut durchstehen kann. Außerdem kann die Frau danach schneller wieder fit werden.

„Ich bin kein Fan von OPs. Von meinen Kundinnen musste zum Glück noch nie jemand operiert werden“

• Die meisten Frauen wissen, dass es Schwangerschafts- und Rückbildungsgymnastik gibt, sie nutzen diese Angebote aber nicht. Was sagen Sie dazu?
Diese Trainingsbegriffe haben vielleicht ein etwas verstaubtes Image und werden nicht zielgruppenspezifisch angeboten. Andererseits müssten Hebammen, Gynäkologen und Physiotherapeuten eigentlich die Frauen darauf hinweisen, warum das wichtig ist und dass es auch entsprechende Angebote gibt.

• Was ist eine Rektusdiastase?
Eine Rektusdiastase ist nichts anderes als die Ausdünnung der bindegewebigen Sehne, die zwischen dem linken und rechten geraden Bauchmuskel liegt. Nachdem sich der Bauch in der Schwangerschaft so stark ausdehnt, weichen die beiden Bauchmuskeln sehr stark auseinander (dies kann aber auch bei Männern mit einem dicken Bauch oder bei kleinen Kindern so sein). Dieses “Gap” muss sich nach der Schwangerschaft erst wieder schließen, die beiden Bauchmuskelgruppen müssen sich erst wieder annähern.

Die älteste Frau, die ich trainiert habe, war damals 63. Sie begleitete ihre Tochter zum Training und hatte dann gemerkt: Das habe ich auch.

• Wie groß kann eine Rektusdiastase sein und wie merkt man, dass man eine solche hat?
Eine Rektusdiastase kann mehrere handbreit auseinanderliegen, sodass die beiden Rekti (also die beiden senkrechten Bauchmuskelstränge) am Ende der Schwangerschaft und nach der Geburt komplett in der Taille liegen und man sie kaum noch ertasten kann. Meist liegen sie aber eine handbreit oder mehrere Finger breit auseinander. Es ist aber auch wichtig, auf welcher Länge die Stelle sehr weich ist bzw. wie weich die Membran ist und wie weit man in die Tiefe greifen kann.

• Wer kann eine Rektusdiastase diagnostizieren?
Diagnostizieren kann ein Arzt mit der Hand oder mit dem Ultraschall. Ertasten, sehen und fühlen, kann eine Rektusdiastase eigentlich jeder, der weiß, worauf er beim Tasten achten muss und wie so eine Überprüfung funktionell von statten gehen soll.

Das was wirklich ungesund ist, ist, dass es eine Dysbalance im Körper gibt.

• Ab wann kann eine Rektusdiastase nicht mehr mit Übungen wegtrainiert werden, sondern muss operiert werden?
Bei einer Rektusdiastase (RD) sollte immer mit einer qualifizierten Person mindestens ein Jahr trainiert werden, bevor man über eine Operation nachdenkt.
Es sollte operiert werden, wenn die RD nicht behebbar ist und zusätzlich Probleme macht, nämlich im Rücken und in der Stabilität in der Körpermitte und damit auch die rundherum liegenden Muskeln nicht ihre Schutzfunktion für die Bauchwand erfüllen können. Ich bin kein Fan von OPs, und von meinen Kundinnen musste zum Glück noch nie jemand operiert werden, wir haben bislang noch jede RD wegtrainieren können.

• Sollte dann überhaupt operiert werden, wenn einen der Bauch nicht stört?
Eigentlich stört bei einer RD nicht vordergründig der Bauch, sondern es sind die Schmerzen im Rücken oder im Rumpf, die oft nicht richtig diagnostiziert werden. Wenn man viel steht oder viel gegessen hat, dann steht der Bauch oft heraus. Oft werden die Frauen dann gefragt, ob sie wieder schwanger sind. Das kann unangenehm und belastend sein. Das was aber wirklich ungesund ist, ist, dass es eine Dysbalance im Körper gibt. Oft ist dann auch der Beckenboden und die Atmung ebenfalls nicht in Ordnung.

• Kann Ihr Workout auch Frauen helfen, die schon vor mehreren Jahren ein Kind bekommen haben, bzw. nach wie vielen Jahren hilft ein Training noch?
Es wird oft kommuniziert, dass, was nach 6 Monaten nicht weg ist, auch nicht mehr weg geht – ABER DEM IST NICHT SO! Man kann immer trainieren und etwas gegen die RD tun. Die älteste Frau, die ich trainiert habe, war damals 63, sie begleitete ihre Tochter zum Training und hatte dann gemerkt: Das habe ich auch. Mit dem Training konnten wir dann auch erwirken, dass sie alle Probleme, die Schmerzen im unteren Rücken und die kugelige Bauchform, wegbekam. Wir unterstützen auch mit Mikronährstoffen, hierbei ist marines Collagen besonders wichtig.

Sämtliche aufrollenden Bewegungen, sämtliche Vierfüßlerübungen oder Planking in Vorlage z. B. sollten sie ÜBERHAUPT NICHT AUSFÜHREN!

• Bis zu welcher Größe ist es möglich, die Rektusdiastase mit Training zu schließen?
Jede Größe und Tiefe kann man beheben. Wichtig ist aber, dass es eine RD ist und kein Bruch. Ein Bruch, ein Nabel- oder Membranbruch, muss tatsächlich operativ behoben werden.

• Wie lange dauert es in etwa, bis der Beckenboden stabil und eine Rektusdiastase verschwunden ist, bzw. kann die Rektusdiastase überhaupt ganz verschwinden?
Das kann man gar nicht so genau sagen. Es kommt darauf an, ob es nur eine RD ist, oder z.B. auch der Beckenboden und der Rücken, ob die Atmungsorgane und die Rippenbögen dort stehen, wo sie sollten. Es hängt von der Konsequenz des Trainings und von der Ernährung ab. Es geht, aber man muss einfach Geduld haben.
Eine RD kann verschwinden.

• Ist ein Rückbildungstraining automatisch auch für eine Rektusdiastase geeignet?
Sollte es eigentlich sein. Oft haben aber Personen, die eine Rückbildungsgymnastik anbieten, nicht die Kompetenz, auf eine RD richtig zu reagieren. Es kommen immer wieder Frauen zu uns, die noch nie von einer RD gehört haben, die aber eine riesige RD haben. Immer wieder kommen Frauen, die angeleitetes Training gemacht haben und die Übungen, die sie dort gemacht haben, lassen mich beide Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Sämtliche aufrollenden Bewegungen, sämtliche Vierfüßlerübungen oder Planking in Vorlage z. B. sollten sie überhaupt nicht ausführen.

• Was war Ihr schönstes Erfolgserlebnis?
Einerseits meine eigene RD, wie ich Zeit damit verbracht habe, mir Informationen zu holen und schon fast ein Studium daraus gemacht habe, um dieses Konzept (mamaFIT Anm.) ins Leben zu rufen.
Das schönste Erlebnis bei meinen Kundinnen war eine Leistungssportlerin, die eine gravierende RD hatte und der das gar nicht bewusst war. Sie wollte sofort wieder Kitesurfen. Sie hat es mit einem individuellen Trainingsplan und persönlicher Begleitung durch mich als ihre mamaFIT Trainerin geschafft, nach sieben Monaten wieder voller Freude und mit stabiler Körpermitte ihrem Sport nachgehen zu können.
Das sind schöne Momente, wenn man sieht, dass man den Frauen so viel Lebensqualität und Freude an und mit ihrem Körper zurückgeben konnte.

• Gibt es etwas Wichtiges, das Sie unseren Leserinnen noch gerne mitteilen möchten?
Es ist nie zu spät mit Rückbildung zu beginnen, lasst euch gut beraten und begleiten und denkt daran, dass Schwangerschaft und Stillzeit wahnsinnige Mikronährstofffresser sind und viele Dinge auslösen können wie Stilldemenz, Schwangerschaftsdemenz, Unruhe, Schlaflosigkeit, Verdauungsprobleme, Migräne, Allergien, Gereiztheit, schlechtes Immunsystem, dass man Haare und Zähne verliert, dass das Hautbild sich verschlechtert. Das müsste alles gar nicht sein, aber das sind alles Hinweise, dass der Körper Mangelerscheinungen hat.

• Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Ich bedanke mich auch.

 

Foto: Miriam Mehlman

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Dr. Iris Floimayr-Dichtl: Ich biete Frauen die Möglichkeit, sich als Trainerinnen ausbilden zu lassen, damit sie ein zweites Standbein haben und einen neuen Beruf ausüben können. Gerne kann sich jede, die Interesse an einer per-sönlichen Beratung hat, bei uns melden. Orientierende Beratung machen wir kostenlos!
Wir Frauen können uns gegenseitig unterstützen und gemeinsam somit viel mehr erreichen! www.mamafit.at

 

 

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